Abbildungen des Gehirns überzeugen, oder?

Heute ist es nahezu unmöglich, ein Wissenschaftsmagazin zu finden, in dem keine Bilder des menschlichen Gehirns abgebildet sind. Doch mit der rasanten Entwicklung der Neurowissenschaften, die anhand von schönen, bunten Abbildungen des Gehirns unsere Vorlieben und Entscheidungen zu erklären versuchen, wächst auch die Zahl der Skeptiker, die glauben, dass Neurowissenschaften keine Antworten auf bedeutende, philosophische Fragen liefern können und Forscher sich zu leicht von schönen bunten Bildern beeinflussen lassen.

Bereits 2008 wurde anhand von Tests gezeigt, dass Studenten Beschreibungen von wissenschaftlichen Studien mit einer 3D-Abbildung des Gehirns überzeugender fanden als Balkendiagramme oder eine topografische Karte der Gehirnaktivität.

Kritiker der Neurowissenschaften gehen weiterhin davon aus, dass die schönen Bilder auch Akademiker, Journalisten und Politikern stärker und einfacher beeinflussen als andere Darstellungsformen. Einige Neurowissenschaftler, die sich mit der oben genannten Studie aus dem Jahr 2008 kritisch auseinander gesetzt haben, sind allerdings der Meinung, dass die Gehirn-Bilder “wenig bis keine besondere Überzeugungskraft” besitzen – dies ist das Ergebnis von 10 rekonstruierten und an über 2.000 Teilnehmern durchgeführten Experimenten.

Doch was stimmt nun? Sind 3D-Bilder überzeugend oder sind sie es nicht? Bei der Beantwortung dieser Frage kann ein Modell der Sozialpsychologie helfen. Das sogenannte Elaboration Likelihood Model (ELM)besagt, dass wenn Menschen motiviert und in der Lage sind, eine Botschaft sorgfältig zu analysieren, für die Überzeugung die zentralen Aspekte der Botschaft entscheidend sind. (z.B. die Stärke der Argumente) Wenn man jedoch nicht motiviert oder nicht in der Lage ist, die Botschaft sorgfältig zu analysieren, neigt man dazu, auf die peripheren Aspekte der Botschaft (z.B. die Attraktivität oder berufliche Qualifikationen eines Sprechers) zu achten.

Als wie überzeugend eine Abbildung eingestuft wird, hängt also in einem starken Maße davon ab, ob der Empfänger sich sorgfältig damit auseinandersetzt und in welchem Zusammenhang das Bild zur Kernbotschaft steht. Die entscheidende Frage ist also nicht, ob Gehirn-Abbildungen überzeugend sind, sondern viel mehr unter welchen Umständen und warum sie es sind. Laut dem EL-Modell müssten gerade Wissenschaftler und andere kritische Empfänger (der Botschaft) Gehirn-Abbildungen am wenigsten überzeugend finden. Wenn die Empfänger, also auch die Wissenschaftler, jedoch erschöpft sind, werden auch sie visuell beeindruckende Abbildungen mit hoher Wahrscheinlichkeit recht überzeugend finden.